Warum fiel 1816 der Sommer aus?

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Painting, Art
Foto (C): Heritage-Images / National Museum of Wales / akg-images
Schwefelgase in der Atmosphäre, die als Aerosolwolken um den Erdball zogen und das Sonnenlicht absorbierten: Wie ein Vulkanausbruch für ein »Jahr ohne Sommer« sorgte

(Text: Manuel Opitz)

»Achtzehnhundertunderfroren« – so nannten Zeitgenossen das Katastrophenjahr 1816, heute als »Jahr ohne Sommer« bekannt. Betroffen waren vor allem Westeuropa und Nordamerika: In Neuengland fiel mitten im Juni dichter Schnee, und nicht enden wollende sintflutartige Regenfälle und Hagelstürme suchten Europa heim. Auf der nördlichen Hemisphäre wurde 1816 zum zweitkältesten Jahr seit gut 400 Jahren, in Paris war es der kälteste Sommer zwischen 1771 und 1990.

Die Folgen waren dramatisch: Der Regen und die niedrigen Temperaturen vernichteten in Europa große Teile der Ernte; Hungersnöte brachen aus. In der Schweiz zogen Heerscharen von Obdachlosen bettelnd durchs Land, in Württemberg und Baden kam es zu Plünderungen, in England lieferten sich hungrige Demonstranten Straßenschlachten mit der Polizei, in Frankreich brachen Unruhen aus.

Eine Naturkatastrophe am anderen Ende der Welt als Ursache

Warum das Wetter derart verrückt spielte, blieb für die Zeitgenossen ein Rätsel. Erst im 20. Jahrhundert fanden Wissenschaftler eine Erklärung: eine Naturkatastrophe am anderen Ende der Welt. Im April 1815 brach der Vulkan Tambora auf der heute zu Indonesien gehörenden Insel Sumbawa aus – es war eine der größten Vulkanexplosionen der letzten 2000 Jahre, weit dramatischer noch als der Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 n. Chr. Schätzungen zufolge starben mindestens 70.000 Menschen in unmittelbarer Umgebung durch den Ausbruch und durch einen von der Eruption ausgelösten Tsunami.

Infolge der Explosion gelangten riesige Mengen an Schwefelgasen in die Atmosphäre, die als Aerosolwolken um den Erdball zogen und das Sonnenlicht absorbierten. Die Folge war ein so dramatischer und schlagartiger Klimawandel, wie die menschliche Zivilisation ihn nie zuvor erlebt hatte. Erst in den folgenden Jahren normalisierten sich die Temperaturen wieder.

Staubteilchen der Eruption verteilten sich um den Erdball und sorgten in Europa für Farbspektakel am Firmament. Forscher vermuten, dass die sogar den Malstil zeitgenössischer Künstler beeinflussten – etwa die expressiven Himmelsdarstellungen des Engländers William Turner (1775–1851; Foto oben).

Der Artikel ist in der Ausgabe 07/2021 von P.M. Fragen & Antworten erschienen.

Sarah studierte Modejournalismus und Medienkommunikation in München und Berlin. Auf ihrem Weg zum Schreiben machte sie Halt bei Film und Fernsehen und im Marketing. Ihre Interessen liegen vor allem im Tierschutz, dem Feminismus und in der Kunst – und natürlich im Entdecken von spannenden Geschichten.