Jakob Fugger: Der reichste Mann aller Zeiten?

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Deutsche und italienische Kaufleute errichten ab dem Ende des Mittelalters riesige Finanzimperien. Sie beeinflussen nicht nur unseren Umgang mit Geld, sondern auch die Renaissance und die Entdeckung ferner Kontinente.

(Text: Matthias Lohre)

Amazon-Chef Jeff Bezos besitzt neuen Zahlen zufolge ein Vermögen im Wert von rund 132 Milliarden Euro. Damit gilt er als reichster Mann der Welt – und wandelt auf den Spuren berühmter Figuren der Geschichte. Schon im Spätmittelalter bildeten Kaufleute Dynastien, die durch Handel und clevere Geschäfte sagenhaft reich wurden.

Ihr Reichtum wurde möglich durch die Entwicklung des modernen Geld- und Bankwesens, das insbesondere der Familie Medici in Florenz zu sagenhaftem Reichtum verhalf. Zwar blieben Münzen und Papiergeld, die im 13. Jahrhundert die Tauschwirtschaft verdrängt hatten, weiter das meistgenutzte Zahlungsmittel. Doch gewannen bargeldlose Geldtransfers ab dem 14. Jahrhundert immer mehr an Bedeutung, denn sie machten den länderübergreifenden Handel noch einfacher und sicherer.

Kredite erlaubten Kaufleuten zudem Investitionen und Geschäfte in zuvor ungekannten Ausmaßen. Lange Zeit hatte die katholische Kirche sie als unchristlichen Wucher geächtet. Doch nun nutzten auch geistliche Fürsten die Möglichkeit, ihren üppigen Lebensstil und ihre teuren Kriege auf Kredit zu finanzieren. Damit befeuerten sie eine weltgeschichtlich kaum zu überschätzende Entwicklung. Wer vermögend war, konnte fortan durch das Vergeben von Darlehen noch reicher werden. Geld erzeugte so noch mehr Geld.

Der Beginn des Kapitalismus

Es war der Beginn dessen, was wir heute Kapitalismus nennen. Zu dessen ersten Profiteuren gehörte auch der Kaufmann Jakob Fugger aus Augsburg. Im Jahr 1523 zeigt er dem Kaiser, wer von beiden das Sagen hat. Ohne jede Scheu schreibt er dem Habsburger-Monarchen Karl V.: »Es ist allgemein bekannt und liegt offen zutage, dass Eure Kaiserliche Majestät die römische Krone ohne mich nicht erlangt hätten.« Dann fordert Fugger den Kaiser brüsk auf, er solle endlich seine Schulden bei ihm begleichen.

Ein Affront. Doch was geschieht? Der mächtigste Herrscher der Welt, dessen Reich sich auch über weite Teile Amerikas erstreckt, lässt den Geschäftsmann nicht ins Gefängnis stecken – sondern gehorcht. Denn der Briefschreiber hat vier Jahre zuvor mit der gewaltigen Summe von 544 000 Gulden – dem Gegenwert von etwa eineinhalb Tonnen Gold – die deutschen Kurfürsten bestochen, damit sie Karl zu ihrem Kaiser wählen. Mit Erfolg. Wieder einmal hat der Kaufmann sich einen Herrscher gefügig gemacht.

Es ist allgemein bekannt und liegt offen zutage, dass Eure Kaiserliche Majestät die römische Krone ohne mich nicht erlangt hätten.

Jakob Fugger (1459-1525), deutscher Kaufherr

Jetzt, mit Anfang 60, steht Jakob Fugger, genannt »der Reiche«, im Zenit seiner Macht. Binnen weniger Jahrzehnte hat das zehnte Kind einer leidlich erfolgreichen Tuchhändlerfamilie aus Augsburg ein gewaltiges Unternehmen geformt. Früh hat Fugger erkannt, wie er den Kapitalbedarf von Fürsten und Bischöfen für seine Zwecke nutzen kann. Seit den 1480er-Jahren leiht er den Mächtigen immer höhere Summen aus seinem Firmenkapital, die diese für Hochzeitsfeste, Kriegsheere oder den Bau von Schlössern ausgeben. Im Gegenzug verlangt er keine Zinsen, sondern Anteile am boomenden Bergbaugeschäft.

Bald gehören dem Mann mit den schmalen Lippen Anteile an hochprofitablen Silbererz- und Kupferminen in Tirol oder der heutigen Slowakei. Mit den Gewinnen kann er weitere Darlehen vergeben. Dabei ist der Kaiser längst nicht sein einziger Kunde. Auch die Könige von England, Portugal und Ungarn haben bei Fugger Schulden. Der Papst überträgt dem Deutschen für ein Darlehen sogar das Privileg, die römische Münzstätte zu betreiben. Jetzt druckt Fugger selbst das Geld, das er verleiht. In seinem mit Gold ausgekleideten Büro liest er Berichte, die ihm Spione, Mitarbeiter und Geschäftspartner aus halb Europa zuschicken. So weiß er früher als jeder andere von drohenden Pleiten und aussichtsreichen Geschäften.

Die Fuggerei: Eine Wohnstiftung für Arme

Fugger profitiert auch vom Ablasshandel des Papstes. Unter dem Motto »Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt« verspricht die Kirche den Gläubigen, diese könnten sich von ihren Sünden durch den Kauf sogenannter Ablassbriefe freikaufen. Das so eingenommene Geld wird häufig zur Renovierung von Kirchen verwendet. Die Hälfte der Ablasseinnahmen, die zum Neubau des Petersdoms in Rom ausersehen sind, geht an den Augsburger Kaufmann.

Diese Praxis befeuert Martin Luthers Protestbewegung, die mit der Veröffentlichung seiner 95 Thesen im Jahr 1517 in Fahrt kommt und die die Kirche im Rahmen der Reformation dauerhaft spalten wird. Im Jahr 1520 fordert Luther: »Man müsste dem Fugger einen Zaum ins Maul legen.« Doch der Gescholtene bekommt davon nicht mehr viel mit. Der reichste Unternehmer Europas stirbt 1525 und hinterlässt die gewaltige Summe von 2,1 Millionen Gulden. Einer jüngeren Schätzung zufolge entspräche dies rund 400 Milliarden US-Dollar.

Damit wäre der Augsburger die reichste Privatperson der Geschichte. In seiner Heimatstadt erinnert an ihn bis heute eine von ihm gestiftete Wohnsiedlung für Arme, die Fuggerei. Die dortigen Mieten sind noch immer sehr gering. Im Gegenzug sollen die Bewohner täglich dreimal für das Seelenheil ihres Gönners beten.

Wollen Sie mehr über die Superreichen der Geschichte erfahren? Sie finden mehr in P.M. Fragen & Antworten, Ausgabe 6/2020.

Sarah studierte Modejournalismus und Medienkommunikation in München und Berlin. Auf ihrem Weg zum Schreiben machte sie Halt bei Film und Fernsehen und im Marketing. Ihre Interessen liegen vor allem im Tierschutz, dem Feminismus und in der Kunst – und natürlich im Entdecken von spannenden Geschichten.