Wie viele Atombomben gelten als verschollen?

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1966: Mehr als zwei Monate vermissten die USA diese Wasserstoffbombe, ehe sie von einem U-Boot geborgen werden konnte Foto: © Bettmann/Getty Images
Das US-Militär bezeichnet verlorene Atombomben mit dem Codewort »Broken Arrow«. Damit werden untererwartete Ereignisse wie Verlust, Diebstahl oder Fehlzündungen beschrieben

(Artikel: Vanessa Leitschuh)

Von allen Waffen haben sie das größte Vernichtungspotenzial. Trotzdem kommt es vor, dass Atombomben verloren gehen oder aus Versehen explodieren. Das US-Militär hat dafür ein Codewort: »Broken Arrow« heißen unerwartete Ereignisse mit Atomwaffen, beispielsweise Verlust, Diebstahl, Abstürze oder Fehlzündungen. 

Seit 1950 hat das US-Verteidigungsministerium 32 »Broken Arrows« dokumentiert. Wobei sich fast alle Unfälle zwischen 1950 und 1968 ereigneten. Damals waren regelmäßig amerikanische und sowjetische Langstreckenbomber auf Abschreckungsflügen unterwegs. 

Sechs dieser 32 »Broken Arrows« gelten bis heute als verschollen. So aber nur die offiziell bestätigten Vorfälle der USA, die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich höher. Auch über die Zahl jener Sprengköpfe, die Russland verloren oder aus Versehen gezündet hat, lässt sich nur spekulieren. 

Durch »Broken Arrows« wurden bereits zwei Landstriche radioaktiv verseucht

Zweimal kam es vor, dass bei einem »Broken Arrow« größere Landstriche radioaktiv verseucht wurden. So kollidierte 1966 ein Bomber der US-Luftwaffe mit einem Tankflugzeug. Geladen hatte er vier Wasserstoffbomben – zusammengenommen mit der 5000-fachen Sprengkraft der Hiroshima-Bombe. Beide Flugzeuge stürzten in Spanien ab, in der Nähe des Küstenortes Palomares. Eine Rakete konnte sofort geborgen werden, eine andere versank im Meer, blieb über Wochen verschollen. Zwei explodierten beim Aufprall.

Das Sicherheitssystem der Bombe verhinderte eine Kernreaktion und damit eine atomare Katastrophe. Und doch: Plutonium verteilte sich über dem Gebiet. In einer großen Aufräumaktion trugen Soldaten 1400 Tonnen verstrahlte Erde ab und verschifften sie in Fässern in die Vereinigten Staaten. 

Ein weiterer Absturz im Januar 1968 in der Nähe der Stadt Qaanaaq in Grönland lässt vermuten, dass dort bis heute eine Kernwaffe am Meeresboden liegt. Auch hier waren die Sprengköpfe nicht scharf gestellt. Das Areal wurde dennoch großflächig kontaminiert. Diesmal sammelte die Aufräumtruppe Schnee statt Erde ein. Was sie nicht finden konnte: die vierte, inzwischen bald 55 Jahre vermisste Wasserstoffbombe. 

Der Artikel ist in der Ausgabe 10/2022 von P.M. Schneller Schlau erschienen.