Welches Kunstwerk hat geteiltes Sorgerecht?

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Scenery, Nature, Outdoors
Foto: © ouvre Museum/Wikipedia
Der Körper einer Statue des sumerischen Herrschers Ur-Ningirsu gehört dem Louvre, der Kopf dem Museum of Art in New York. Die beiden Museen entschieden sich dazu, das Sorgerecht für die Statue zu teilen.

(Text: Tino Falke)

Der sumerische Herrscher Ur-Ningirsu kann es nicht vermeiden, alle paar Jahre eine Flugreise über den Atlantischen Ozean zu unternehmen – zumindest in Gestalt einer kleinen Alabasterstatue. Um 2110 v. Chr. übernahm er nach dem Tod seines Vaters Gudea die Kontrolle über das Reich Lagaš in Südmesopotamien im heutigen Irak. Für seinen Gott Ningišzida ließ er die Statue von sich anfertigen: Auf dem Sockel unter dem Herrscher sind Bedienstete zu sehen, eine Inschrift auf seinem Rücken verrät eindeutig, um wen es sich handelt.

Leider brach die Statue im Lauf der Jahrtausende in zwei Teile. 1925 kaufte das Pariser Kunstmuseum Louvre den Körper. Der Kopf ging 1947 über einen Kunsthändler an das Metropolitan Museum of Art in New York. Erst in den 1970ern setzten Restauratoren die beiden Teile – vermutlich nach mehr als 4000 Jahren – wieder zusammen; Seit 1974 sind sie als komplettiertes Kunstwerk ausgestellt. Dass Kopf und Körper noch perfekt aufeinanderpassen, ist eine Seltenheit. Da die zusammengesetzte Statue im Grunde beiden Museen gehört, entschieden sie sich für eine ähnlich unübliche Lösung: Damit sie Ur-Ningirsu regelmäßig an beiden Standorten ausstellen können, müssen sie die Skulptur immer wieder per Flugzeug zwischen Frankreich und den USA hin- und herfliegen.

Die Statue des numerischen Herrschers Ur-Ningirsu gehört zwei Museen. Foto: © Wikipedia

Mehrere Museen sind dem Beispiel gefolgt

In der modernen Kunstszene sind seitdem mehrere Museen dem Beispiel gefolgt und teilen sich den Besitz eines Werks, das abwechselnd an mehreren Orten präsentiert wird. Beispiele dafür sind etwa die Installation »The Refusal of Time« von William Kentridge (2012), eine Farbpigment-Sammlung von Georgia O’Keeffe und Bill Violas Videoprojekt »Five Angels for the Millennium« (2001). 

Manche Museumsleitungen begrüßen sogar, dass sie weniger Stauraum benötigen und Kunst dadurch weiter in der Welt verbreitet wird.

Der Artikel ist in der Ausgabe 05/2022 von P.M. Schneller Schlau erschienen.