Nach wem ist das Asperger-Syndrom benannt?

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Foto (C): Interfoto
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Das Asperger-Syndrom ist eine Variante des Autismus und wird zu den Störungen der neuronalen und mentalen Entwicklung gerechnet. Aber nach wem wurde diese Entwicklungsstörung benannt?

Wer kennt sie nicht, die Geschichten von autistischen Kindern, die sich enorm für Zugfahrpläne interessieren, aber nur mit Mühe ein Gespräch führen und einem kaum in die Augen schauen können? Asperger-Syndrom wurde diese Entwicklungsstörung früher genannt. Im Gegensatz zu anderen Menschen mit »Autismus-Spektrum- Störungen« sind diese Menschen normal bis überdurchschnittlich intelligent, in ihrem Verhalten und im Kontakt mit ihren Mitmenschen aber sehr auffällig. Das Syndrom ist nach dem Wiener Hans Asperger benannt. Der Kinderarzt hatte den Begriff Autismus als einer der ersten Mediziner zur Beschreibung einer eigenständigen Diagnose verwendet. Im Jahr 1944 veröffentlichte Asperger seine Doktorarbeit. Jahrzehntelang galt er als Fürsprecher der Schwachen, er stellte sich gern als Retter autistischer Kinder in der NS-Zeit dar.

Die dunkle Vergangenheit Aspergers

Erst im vergangenen Jahr fiel die schöne Maske des Kinderarztes, und damit steht auch seine Diagnose in neuem Licht. Tatsächlich arbeitete Asperger mit den führenden Köpfen des Programms für Kinder-Euthanasie zusammen, berichtet die Historikerin Edith Sheffer. Dass der Mediziner zwischen Kindern mit verschiedenen Formen von Autismus unterschied, hatte nicht, wie lange vermutet, mit Empathie und Menschenfreundlichkeit zu tun. Im Gegenteil. Manche der Kinder hielt er wegen ihrer hohen Intelligenz für Genies und hob ihren Nutzen für die Gemeinschaft hervor. Anderen, minderbegabten Kindern mit Autismus sprach er die Menschlichkeit ab. Welche Folgen das hatte? Hans Asperger habe Kinder wissentlich in den Tod geschickt, so Sheffer. Er sei in die Überweisung von mindestens 44 jungen Menschen in die Anstalt Am Spiegelgrund in Wien verwickelt gewesen. Dorthin wurden von Juli 1940 an jene Kinder gebracht, die aus Sicht der Nationalsozialisten keinen Nutzen für die Gesellschaft hatten. Viele von ihnen wurden umgebracht. Im Bundesverband Autismus Deutschland haben die neuen Erkenntnisse zu großer Unruhe geführt. »Wir haben uns schnell vom Begriff des Asperger-Syndroms distanziert«, sagt Maria Kaminski, Vorsitzende des Verbands. Selbst die nach dem Kinderarzt benannte Arbeitsgruppe soll bald umbenannt werden. Auch in der neuesten Auflage des amerikanischen Diagnosemanuals für psychische Krankheiten, »DSM-5«, kommt das Asperger-Syndrom nicht mehr vor, allerdings aus wissenschaftlichen Gründen. Mediziner und auch Betroffene sprechen nun lieber von Autismus oder Autismus-Spektrum-Störungen.

(Text: Astrid Viciano)

Sarah studierte Modejournalismus und Medienkommunikation in München und Berlin. Auf ihrem Weg zum Schreiben machte sie Halt bei Film und Fernsehen und im Marketing. Ihre Interessen liegen vor allem im Tierschutz, dem Feminismus und in der Kunst – und natürlich im Entdecken von spannenden Geschichten.