Welche Rechte haben gezüchtete „Minigehirne“?

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Foto (C): Wellcome Images
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An erbsengroßen Hirnzellpaketen wollen Forscher bald Medikamente testen. Es stellt sich die Frage, ob und ab wann "Minigehirne"" ein Bewusstsein entwickeln könnten."

Sie sind erbsengroß, schwimmen in der Petrischale und wirken eher unscheinbar. Es sind Zellverbünde von Nervenzellen, die sich wie in unserem Gehirn verbunden haben. Die »Minigehirne« sind einer dieser medizinischen Fortschritte, die uns fragen lassen, wie weit wir eigentlich gehen wollen in der Forschung. Im Jahr 2013 stellten Molekularbiologen erstmals ein solches »zerebrales Organoid« vor – so der Name, den sie lieber verwenden als »Minigehirn«. Denn bisher sind die Gewebeinseln lediglich aus menschlichen Stammzellen gezüchtete Ansammlungen von Nervenzellen – und noch kein Hirn mit diversen Zelltypen und Gefäßen. Dennoch bildete das Gewebe in einem Bioreaktor Gehirnstrukturen aus. Seither hoffen Wissenschaftler, dass sie anhand der Organoide mehr über psychische und neurologische Krankheiten erfahren.

Ist ein moralischer Status für gezüchtete „Hirn-Organoide“ nötig?

Forscher pflanzten etwa Hirnzellen in Mäuse ein, danach verbesserte sich deren Hirnleistung. Zuletzt trainierten Alysson Muotri und sein Team an der UC San Diego School of Medicine einen Algorithmus mit den Gehirnströmen von Frühgeborenen. Anschließend konnte die Künstliche Intelligenz annähernd das Alter von Organoiden bestimmen – weil deren elektrische Signale denen von Babys ähnlich sind.

Bisher haben wir noch keinen Nachweis, dass die Organoide ein Bewusstsein haben.

Alysson Muotri, Biologe

Bei solchen Resultaten muss man sich der Frage widmen, ob und ab wann die Minigehirne ein Bewusstsein entwickeln könnten. Schließlich denken Philosophen und Wissenschaftler schon seit Jahrhunderten über diese Problematik nach. »Bisher haben wir noch keinen Nachweis, dass die Organoide ein Bewusstsein haben«, sagt Alysson Muotri. Aber Regularien für diesen Fall seien dringend nötig: Die Gebilde bräuchten dann einen »moralischen Status«, falls etwa entschieden werden muss, was nach den Versuchen mit ihnen geschieht. Mit diesem Wunsch nach Klarheit ist Muotri nicht allein, 2018 veröffentlichten etliche Experten einen Aufruf. Darin diskutierten sie unter anderem, ob die Organoide einen Vormund brauchen.

(Text: Christiane Löll)

Dieser Artikel ist in P.M. Fragen & Antworten 07/2020 erschienen.

Sarah studierte Modejournalismus und Medienkommunikation in München und Berlin. Auf ihrem Weg zum Schreiben machte sie Halt bei Film und Fernsehen und im Marketing. Ihre Interessen liegen vor allem im Tierschutz, dem Feminismus und in der Kunst – und natürlich im Entdecken von spannenden Geschichten.