Wer kam dem Cholera-Erreger auf die Spur?

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Human, Person, Art
Foto (C): AKG
Die Cholera ist eine schwere Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Vibrio cholerae hervorgerufen wird. Wer kam dem Erreger auf die Spur?

(Text: Astrid Viciano)

Die schwere Durchfallerkrankung Cholera brach im Jahr 1854 bereits zum dritten Mal in England aus, sie führte schneller zum Tod als andere Seuchen, vor allem in der Hauptstadt London. Menschen, die sich morgens noch gesund fühlten, verloren über massive wässrige Durchfälle so viel Flüssigkeit, dass sie oft innerhalb von Stunden starben.

Heute kennen Mediziner Bakterien, auch »Vibrio cholerae«, das das Leiden auslöst. Damals jedoch wussten die Ärzte noch nichts von Krankheitserregern, auch glaubten sie nicht, dass eine Übertragung von Erkrankungen von Mensch zu Mensch möglich sei. Stattdessen hingen sie meist der »Miasma-Theorie« an, wonach die Cholera wie auch andere Krankheiten durch irgendwelche üblen Bestandteile der Luft hervorgerufen wurde.

Bakterien namens Vibrio cholerae lösen die schwere Durchfallerkrankung aus

Ein Londoner Arzt hatte allerdings Zweifel: John Snow. Der Londoner Mediziner war auf Anästhesie, die Narkose, spezialisiert und hatte daher bereits viele wissenschaftliche Experimente zu Äther und Chloroform durchgeführt. Auch deshalb erschien es ihm unwahrscheinlich, dass die Cholera über die Luft in den Körper gelangen sollte. Schließlich wäre dann zu erwarten, dass die Erkrankung irgendeine Spur in den Atemwegen hinterließ. Stattdessen aber litten die Betroffenen an massivem Durchfall.

Snow ging daher davon aus, dass die Seuche durch etwas ausgelöst wurde, das verschluckt wurde und so direkt in den Verdauungstrakt geriet. Da so viele Menschen auf einmal im Londoner Stadtteil Soho an Cholera erkrankten, ging der Arzt von einer gemeinsamen Quelle aus: dem Trinkwasser. Er machte daher alle Wasserpumpen des Viertels aus – und sah sich an, in der Nähe welcher Pumpe besonders viele Opfer der Erkrankung wohnten.

»Er war ein Wissenschaftler mit seltener Hingabe«, schrieb das Fachblatt »The Lancet« vor ein paar Jahren. Das zahlte sich aus – er fand nämlich heraus, dass fast alle Verstorbenen in der Nähe der Wasserquelle in der Broad Street Nr. 40 gewohnt hatten. Nur eine Gruppe von Arbeitern aus der nahe gelegenen Lion-Brauerei wollte nicht ins Bild passen, von ihnen war kein einziger an den Durchfällen erkrankt.

Woran lag das? Der Besitzer des Betriebs hatte einen eigenen Brunnen auf dem Brauereigelände – und ohnehin tranken die Arbeiter lieber Bier als Wasser. Schließlich konnte Snow durchsetzen, dass der Handgriff der Pumpe an der Broad Street abmontiert wurde. Wie sich später herausstellte, hatte eine junge Frau die Windeln ihres kranken Babys in der Nähe der Pumpe ausgewaschen und das Wasser so mit den Krankheitserregern verschmutzt.

Der Cholera-Entdecker: Einer der Väter der Epidemiologie

Ob das Abnehmen des Handgriffs die Infektionswelle tatsächlich stoppte, ist umstritten. Doch ist noch heute eine Replik dieser Wasserquelle in Soho zu sehen, im Gedenken an Snow. Die schwarz-weiße Illustration links oben zeigt, wie sich seine Erkenntnisse bei den Menschen durchsetzten. Der Mediziner gilt seither als Vater jener Disziplin, die sich vor allem mit den Ursachen und Verbreitung von Erkrankungen beschäftigt: der Epidemiologie.

Der Text ist in P.M. Fragen & Antworten Ausgabe 08/2020 erschienen.

Sarah studierte Modejournalismus und Medienkommunikation in München und Berlin. Auf ihrem Weg zum Schreiben machte sie Halt bei Film und Fernsehen und im Marketing. Ihre Interessen liegen vor allem im Tierschutz, dem Feminismus und in der Kunst – und natürlich im Entdecken von spannenden Geschichten.