Droht in der Antarktis ein wichtiger Eisdamm zu brechen?

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Die Schmelzrate des Thwaites-Gletschers hat sich in den vergangenen 30 Jahren verdoppelt. Schon bald könnte das zu einem bedenklichen Dammbruch im Eis führen.

(Text: Jan Berndorff)

Der Thwaites-Gletscher in der Westantarktis ist einer der größten der Welt. Seine Fläche ist mehr als doppelt so groß wie die Österreichs. Würde sein gesamtes Eis schmelzen, ließe das Wasser den Meeresspiegel um 65 Zentimeter steigen. Küstenstädte weltweit würden überspült. Schon jetzt verliert der Gigant jedes Jahr rund 50 Milliarden Tonnen Eis, die von seiner etwa 130 Kilometer langen Abbruchkante ins Meer stürzen. Das allein sorgt für vier Prozent des aktuellen Anstiegs des Meeresspiegels. Bis der Gletscher komplett geschmolzen ist, könnten aber Hunderte Jahre vergehen.

Fachleute bezeichnen den Thwaites-Gletscher dennoch mitunter als »Doomsday-Gletscher«, zu Deutsch etwa: »Gletscher des Jüngsten Gerichts«. Und neue Zahlen, die ein Forschungsteam auf einem Treffen der Amerikanischen Geophysikalischen Vereinigung in New Orleans präsentierte, führen allzu klar vor Augen, warum. Satellitendaten zufolge hat sich die Schmelzrate des Gletschers in den vergangenen 30 Jahren verdoppelt. Und Messungen der vergangenen zwei Jahre zeigen: Der Prozess beschleunigt sich weiter.

Person, Mensch, Schlitten
Forschende untersuchen, wie schnell sich der gefährliche Gletscher ins Meer schiebt. Foto: © picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Warmes Wasser höhlt Thwaites-Gletscher von unten aus

Der neuen Prognose nach könnte das in drei bis fünf Jahren zu einem bedenklichen Dammbruch führen. Denn bislang werden die Eismassen durch eine Art Korken zurückgehalten: Der vordere Teil des Gletschers ist an einer Bodenschwelle etwa 40 Kilometer vor der Küste verkeilt und sorgt für Rückstau. Die Messungen zeigen jedoch: Dieser natürliche Damm bekommt immer mehr Risse. Warmes Wasser höhlt die verkeilte Masse von unten her aus. Bald wird sie dem Druck der schiebenden Eismassen nachgeben. »Dieser Kollaps wird einen unmittelbaren Meeresspiegelanstieg zur Folge haben« warnt die Glaziologin Erin Pettit von der Oregon State University. »Das Tempo, mit dem sich der Gletscher ins Meer ergießt, wird sich etwa verdreifachen. Es ist ziemlich beunruhigend.«

Der Artikel ist in der Ausgabe 04/2022 von P.M. Schneller Schlau erschienen.