Kann man mit Microtargeting politische Wahlen gewinnen?

von
Person, Human, Head
Der ehemalige US-Präsident verbreitete seine Botschaften vor allem über Twitter, doch hier wurde er nachgeahmt: auf einer gefälschten Seite aus China Foto: © Jaap Arriens/NurPhoto
In Social-Media-Wahlkämpfen wurde in den vergangenen Jahren zunehmend »Microtargeting« verwendet. Viele Menschen lehnen diese Form des Wahlkampfs allerdings ab

(Artikel: Jochen Metzger)

Donald Trump hat gezeigt, wie ein Social-Media-Wahlkampf gelingen kann. Sein Team flutete das Web mit mehr als 200 000 verschiedenen Anzeigen, die über Plattformen wie Facebook oder Instagram ausgespielt wurden. Wer genau welche Parole zu sehen bekam, darüber entschied eine Technik namens »Microtargeting«: Jede Botschaft wurde auf bestimmte Zielgruppen zugeschnitten, auch mithilfe sensibler persönlicher Daten. In den USA lehnen inzwischen mehr als 60 Prozent der Menschen diese Form des Wahlkampfs ab. In Deutschland sind die Vorbehalte noch größer: 89 Prozent fordern zumindest eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht. Doch kann man per Microtargeting überhaupt politische Wahlen gewinnen?

ForschenDE haben Microtargeting während der Bundestagswahl 2021 untersucht

Forscherinnen und Forscher mehrerer deutscher Universitäten haben sich das Verfahren während der Bundestagswahl 2021 genau angesehen und einige ihrer Ergebnisse jetzt auf der Konferenz der International Communication Association (ICA) in Paris präsentiert. Dabei zeigt sich, dass alle großen Parteien mit dieser Art von Wahlkampf gearbeitet haben – allerdings ohne dafür sensible persönliche Daten zu verwenden. Am meisten Geld gaben die Grünen fürs Microtargeting aus, erreichten damit aber weniger Menschen als etwa die FDP und die CDU. Interessant: In den neuen Bundesländern hat – mit Ausnahme der AfD – keine Bundespartei auf Microtargeting gesetzt.

»Zu großen Teilen ist Microtargeting nicht in der Lage, Wähler von einer gegenteiligen Meinung zu überzeugen«, sagt Simon Kruschinski von der Universität Mainz. »Es kann jedoch bestehende Meinungen verstärken und Menschen dadurch aktivieren oder mobilisieren.« Das bedeutet: Microtargeting ist weniger gefährlich und manipulativ, als viele vielleicht meinen. Wichtig ist es dennoch. Es sorgt unter Umständen dafür, dass die Anhänger einer Partei auch wirklich wählen gehen, statt am Wahltag zu Hause zu bleiben oder einen Ausflug ins Grüne zu unternehmen.

Der Artikel ist in der Ausgabe 09/2022 von P.M. Schneller Schlau erschienen.