Was ist eine Biokratie?

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Erstmals in Europa wollen Politiker in Spanien ein Ökosystem als Rechtsperson anerkennen: die Salzwasser Lagune Mar Tenor (oben rechts) im Südosten des Landes Foto: © Moment/Getty Images
Eine Biokratie soll eine Erweiterung der Demokratie sein, die auch Pflanzen und Tieren eigene Rechte einräumt. Einige Staaten haben bereits Naturrechte in ihre Verfassung aufgenommen.

(Text: Vanessa Leitschuh)

Eine Biokratie ist eine hypothetische Staatsform. Sie soll eine Erweiterung der Demokratie sein, die nicht nur dem Menschen, sondern allen Lebewesen eigene Rechte einräumt. In einer Biokratie hätten also auch Tiere und Pflanzen ein Mitbestimmungsrecht. Die bundesweite Initiative »Rechte der Natur«, ein Bündnis aus Umweltexperten, Organisationen, Wissenschaftlerinnen und Bürgern, setzt sich schon seit 2008 für eine Grundgesetzreform ein, die eine solche Erweiterung der Demokratie zur Biokratie anstrebt. Im Frühjahr dieses Jahres präsentierte das Netzwerk einen Vorschlag für eine entsprechende Gesetzesänderung. »Zumindest langfristig sind die Menschenrechte ohne Anerkennung von Rechten der Natur nicht durchsetzbar«, heißt es im Grundsatzpapier der Initiative. »Viele der Rechte verlieren im Falle fortschreitender Umweltzerstörung ihren Sinn.« 

Im Lauf der Geschichte, so die Initiative, sei in Gesellschaften die mitbestimmende Gruppe immer größer geworden: von der Alleinherrschaft bis hin zur Demokratie, in der jede Person eine Stimme hat. Der nächste konsequente Schritt sei nun die Beteiligung aller Geschöpfe in einer Biokratie, einer Herrschaft des Lebens.

Gesetze, die der Natur eigene Rechte garantieren

Nach bisheriger Rechtsauffassung sind Tiere und Pflanzen Objekte, die man besitzen, zerstören oder schützen kann. Ist die Natur Trägerin eigener Rechte, können diese eingeklagt werden. Sie wird zum Rechtssubjekt. Jeder Bürger kann dann – zum Beispiel im Fall von Umweltverschmutzung – vor Gericht ziehen, auch ohne persönlich betroffen zu sein.

In einigen Staaten gibt es bereits Gesetze, die der Natur eigene Rechte garantieren. Als erstes Land nahm 2008 Ecuador die Naturrechte in die Verfassung auf. Zuletzt folgte Panama, als Präsident Laurentino Cortizo zu Beginn des Jahres ein Gesetz unterzeichnete, das der Natur des Landes ein Recht auf Existenz und Fortbestand sowie auf Wiederherstellung im Fall von Beschädigung zugesteht. Und mit der Lagune Mar Menor in Spanien wird bald auch in Europa erstmals ein Ökosystem als Rechtsperson anerkannt.

Der Artikel ist in der Ausgabe 07/2022 von P.M. Schneller Schlau erschienen.