Warum träumen wir und kann man Träume lenken?

von
Warum träumen wir
Foto: foxysgraphic // Adobe Stock
Die »gezielte Traum-Inkubation« gilt als aufregende neue Marketingstrategie. Womöglich könnte der geträumte Werbesport schon bald ein Thema werden.

Alle Menschen träumen, auch wenn die Erinnerungen an die Träume bei den meisten direkt nach dem Aufwachen schon wieder verschwunden sind. Auch Albträume haben wir alle, fünf bis zehn Prozent aller gesunden Erwachsenen leiden unter wiederkehrenden Albträumen, (psychisch) kranke noch häufiger. Am meisten treten diese Albträume in der REM-Phase auf. Außerdem leiden Frauen öfter an ihnen als Männer, Kinder sind jedoch am meisten geplagt. Sie sind in ihrer Angstbewältigung noch nicht so gefestigt wie Erwachsene und fürchten sich deshalb schneller, wird vermutet. Ob Albtraum oder nicht, im Durchschnitt durchlebt man pro Nacht vier bis sechs Träume.

Der Psychoanalytiker Sigmund Freud beschäftigte sich zuerst mit der Traumdeutung. Seiner Vorstellung nach sind Träume unterdrückte Bedürfnisse und unerfüllte Wünsche, doch diese Ansicht wurde mittlerweile überholt. Trotzdem war er der erste, der einen Zusammenhang zwischen Träumen und der menschlichen Psyche erkannte. Doch warum träumen wir überhaupt?

In Träumen verarbeiten wir das am Tag Erlebte

Forschende sind sich darüber noch nicht einig. Da es schwierig ist, Träume zu überwachen, ist es auch schwierig zu verstehen, wieso es sie gibt. Nach evolutionären Theorien soll das Träumen eine Art Überlebensstrategie sein, die hilft, mit Angst umzugehen und das Problemlösen erlernen soll. Dabei bedient sich das Unterbewusstsein kreativer Lösungen, da Träume von Gefühlen und Emotionen geleitet werden. Andere Forscherteams wiederum glauben, dass Träume einfach nur das am Tag Erlebte verarbeiten und abspeichern. Belegt ist, dass beim Träumen eine sogenannte Gedächtniskonsolidierung abläuft, bei der Erinnerungen aus dem Langzeitgedächtnis gefestigt werden.

Von jeher interessieren sich Menschen für den Grenzbereich zwischen Traum und Wirklichkeit und die Frage, inwieweit sich Träume steuern lassen – die eigenen, aber auch die von anderen Menschen. Zum Beispiel zu therapeutischen Zwecken: Wer im Schlaf einen ekligen Mix aus Zigarettenrauch und faulen Eiern schnuppern muss, hat laut einer Studie in der Woche darauf deutlich weniger Lust aufs Rauchen. Auch der Werbeindustrie bieten Eingriffe ins Unterbewusstsein und die nachhaltige Manipulation von Träumen faszinierende Möglichkeiten. Und tatsächlich gilt die »targeted dream incubation« (»gezielte Traum-Inkubation«; das lateinische Wort »incubare« heißt »ausbrüten«) bereits als aufregende neue Marketingstrategie. Womöglich könnte der unfreiwillig geträumte Werbespot sogar schon in naher Zukunft ein Thema werden.

Brauerei-Vorstoß ins Reich der Träume

Die amerikanische Bierfirma Coors zumindest hat bereits versucht, einen solchen Traum-Werbespot zu entwickeln – und Freiwillige zum Mitmachen eingeladen. Probanden sollten sich kurz vor dem Einschlafen mehrmals hintereinander ein spezielles Kurzvideo anschauen, mit simuliertem Gleitflug durch frische Bergwelten, dazwischen tauchen hüpfende Bierdosen auf. Außerdem sollte man in der folgenden Nacht beim Schlafen eine passende Klangcollage laufen lassen, um die Bier-Träume anzuregen. Über die genauen Resultate ist nichts bekannt, aber laut Darstellung der Brauerei hatte es zuvor einen wissenschaftlich begleiteten Testlauf im Schlaflabor gegeben – und dort sollen Teilnehmer wohl tatsächlich vom Markenbier geträumt haben.

Was für den Laien skurril klingt, finden viele Fachleute eher alarmierend: Der Brauerei-Vorstoß ins Reich der Träume brachte fast 40 internationale Experten aus dem Bereich Schlaf- und Traumforschung im Juni dazu, gemeinsam einen offenen Brief zu verfassen. »Wenn Menschen Träume zu Verkaufszwecken ins Gehirn gepflanzt werden (…), dann müssen wichtige ethische Fragen gestellt werden«, heißt es da eindringlich. Der Grund: Unser Gehirn braucht die Traumzeit, um neue Eindrücke mit bereits Gelerntem abzugleichen. Nur so können wir darauf hoffen, im Verlauf unseres Lebens nicht nur älter, sondern auch weiser zu werden.