OroraTech: Aus dem Handel in den Orbit

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Foto: © OroraTech
Start-ups wie OroraTech mischen die Raumfahrt auf – und gehen dazu pragmatischere Wege als ihre Vorgänger

(Text: Alexander Stirn)

Große Satelliten bauen kann jeder. Also – jeder, der genügend Kleingeld hat. Knapp 200 Millionen Euro hat sich zum Beispiel die Esa den Bau von »Sentinel-2A« kosten lassen, der Daten zum Klimawandel und für den Katastrophenschutz sammeln soll. Herausgekommen ist eine fliegende Kamera, die Technik vom Feinsten bietet: hohe Auflösung, hohe Empfindlichkeit, nur die besten Komponenten.

Für die meisten Start-ups sind solche Summen unerschwinglich. Sie setzen andere Prioritäten: Masse statt absoluter Klasse. Komponenten, die nicht aufwendig weltraumtauglich gemacht werden müssen, sondern aus dem Bau- oder Elektronikmarkt kommen dürfen. Und Auflösungen, die genau auf den gewünschten Einsatzzweck zugeschnitten sind. Nicht mehr, aber auch keinesfalls weniger. Es ist ein schmaler Grat, auf dem sich die Unternehmen vorantasten.

So wie das Münchner Start-up OroraTech. Seit Mitte Januar kreist sein erster Kleinsatellit »Forest-1« um die Erde. Mit an Bord: eine eigens entwickelte Kamera, mit der OroraTech künftig Waldbrände aus dem All entdecken will. Die Kamera soll beweisen, dass die Technik funktioniert. Sie soll zeigen, was in ihr steckt – vor allem aber, was mit wenig Geld und vielen Ideen im Orbit möglich ist.

Satelliten haben, so viel ist klar, viel Potenzial fürs Aufspüren von Waldbränden. Aus ihrer Umlaufbahn können die Späher zwischen die Bäume blicken. Sie sehen somit auch Feuer, die irdischen Brandbekämpfern zunächst verborgen bleiben. Hinzu kommt, dass Brände einen charakteristischen, einfach zu erkennenden Fingerabdruck haben: Sie erstrahlen nicht nur hell im sichtbaren Licht, sie geben auch jede Menge Wärmestrahlung ab. Die Physik spricht vom »thermalen Infrarot«.

Unser Auge kann solche Strahlen nicht erkennen, Kameras hingegen schon. Große Satelliten wie »Sentinel-2A« nutzen dazu so empfindliche Detektoren, dass sogar die Eigenwärme der Kamera stört. Das Optiksystem muss mit hohem Aufwand gekühlt werden. »Bei unserer Kamera, die gerade einmal 15 Zentimeter lang ist, wäre es kaum möglich, eine solch komplexe Kühlung einzubauen«, sagt Lucas Krempel, Leiter der Nutzlast-Entwicklung bei OroraTech. 

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Die Kameras auf »Forest-1« haben Buschbrände in Australien entdeckt: Im sichtbaren Spektrum (oben) sind die Rauchschwaden zu sehen. Das thermale Infrarot (rechts) zeigt die Brände. Das Langwellen-Infrarot (unten) ermittelt die Temperatur am Boden
Foto: © OroraTech

Das Start-up setzt daher auf eine einfachere, deutlich unempfindlichere Technik, wie sie auch in handelsüblichen Wärmebildkameras zum Einsatz kommt. Mit den handlichen Geräten lässt sich zum Beispiel die Isolierung von Häusern überprüfen. Möglich wird das durch winzige schwarze Kacheln, die tief in der Kamera die Wärmestrahlung absorbieren und sich dadurch aufheizen. Jede der Kacheln ist mit einem Widerstand verbunden, dessen Stärke sich mit der Temperatur ändert. Dieser Wert kann ausgelesen werden – Kachel für Kachel, Pixel für Pixel.

Der Vorteil des unempfindlichen Designs: Wärmequellen innerhalb der Kamera sind kein Problem. »Viel wichtiger ist, dass das ganze System eine stabile Temperatur hat«, sagt Krempel im Videogespräch. Jede Schwankung würde die Messergebnisse verzerren. In der OroraTech-Kamera hat das Entwicklungsteam daher kleine Heizelemente verbaut. Sie bringen die Optik, deren Temperatur aktuell unter dem Gefrierpunkt liegt, etwa auf Raumtemperatur.

Mit seiner handelsüblichen Kamera würde OroraTechs Satellit aber nicht bloß Waldbrände wahrnehmen, sondern auch andere helle Flecken am Erdboden. Spiegelt sich zum Beispiel die Sonne auf der Oberfläche eines Sees, kann der Satellit die aufgefangene Wärmestrahlung irrtümlich für einen Waldbrand halten. OroraTech beschränkt sich daher nicht auf den Strahlungsbereich, der in den handlichen Wärmebildkameras verwendet wird. Das Start-up setzt zusätzlich auf einen langwelligeren Teil der infraroten Strahlung. In diesem Bereich sind nur heiße Wärmequellen zu erkennen, Vulkane oder eben Brände. Die Daten aus den beiden Bereichen ergänzen sich. »Das erhöht die Erkennungsgenauigkeit von Feuer enorm«, sagt Krempel.

Bei alldem helfen selbst entwickelte Algorithmen. Sie laufen an Bord des Satelliten auf einer kleinen Grafikkarte aus dem Elektronikversand. Das ist ein weiterer Trend in der neuen Raumfahrtwelt: Die großen, konventionellen Satelliten wie »Sentinel-2A« verwenden eigens angefertigte weltraumtaugliche Komponenten, die den widrigen Bedingungen im All – Kälte, Vakuum, kosmische Strahlung – garantiert trotzen. Das ist extrem teuer. Start-ups wie OroraTech setzen hingegen, wo immer sie können, auf Standardbauteile.

Vorbild ist ein Studierendenprojekt an der TU München, aus dem das junge Unternehmen hervorgegangen ist. Im Rahmen des Projekts hat das Team vor dreieineinhalb Jahren einen kleinen, günstigen Satelliten gestartet, ohne Weltraumkomponenten und ohne besonderen Strahlenschutz. »Und dieser Satellit funktioniert noch immer problemlos«, sagt Krempel.

Weil die Aufnahmen der Kamera schon an Bord von »Forest-1« ausgewertet werden, müssen sie nicht aufwendig übertragen werden. Normalerweise sind dafür große Bodenstationen nötig, mit denen nur während eines kurzen Überflugs Kontakt besteht. Die Datenmenge, die sich dabei übermitteln lässt, ist begrenzt. Bei der OroraTech-Kamera analysiert stattdessen die Grafikkarte die Bilder. Sie muss dann nur die Wahrscheinlichkeit eines Waldbrands sowie dessen Position übermitteln. Und zwar über einen Intersatellitenlink: Krempel spricht auch von einer »Space-SMS«, einer Kurznachricht im Orbit, die von Satellit zu Satellit und schließlich zum Boden weitergegeben wird. Innerhalb weniger Minuten soll die Waldbrandwarnung auf diesem Weg zur Verfügung stehen.

Dabei stört auch nicht, dass die Auflösung, verglichen mit den großen Erdbeobachtungssatelliten, nicht ganz so fein ausfällt. Mit seiner 290 Kilogramm schweren Kamera kann »Sentinel-2A« im nahen Infrarot bis auf 20 Meter genau schauen. Die Kamera von OroraTech kann lediglich Strukturen mit einer Größe von 200 Metern erkennen. 

»Das hindert uns allerdings nicht, Feuer zu entdecken, die eine geringere Ausdehnung haben«, sagt Krempel. Sofern die Signaturen der Brände in den beiden beobachteten Infrarotbereichen stark genug durchscheinen, sollte der Satellit bereits Feuer mit einer Größe von zehn mal zehn Metern ausfindig machen. Und das zu einem vergleichsweise geringen Preis. Wenn die Kamera eines Tages in die Serienfertigung geht, rechnet OroraTech pro Stück mit Kosten von weniger als 100 000 Euro – und nicht einem Vielfachen wie bei »Sentinel-2A«.

Der Text ist in P.M. 10/2022 erschienen.

Über die KooperationAls wir zum ersten Mal von OroraTech hörten, begeisterte uns die Vision des Münchener Startups: Mit modernster Technik ins All fliegen, um von dort Probleme auf der Erde zu lösen. Ihre Vision wurde zu unserer. Daher begleiten wir OroraTech im Rahmen einer Medienpartnerschaft und lassen Sie, unsere Leserinnen und Leser, intensiver als gewöhnlich daran teilhaben. Werden Waldbrände durch den Klimawandel häufiger? Wie ändert sich die Satellitentechnologie? Wie verschiebt sich das Verhältnis zwischen staatlicher und privater Raumfahrt? Seien Sie ganz nah dabei, wenn wir über die nächsten Schritte der Satelliten auf dem Weg ins All berichten: im Magazin P.M., im Podcast »Schneller schlau«, auf unserer Website sowie in exklusiven Formaten.

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