Wie wiegt man Geisterteilchen?

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Foto (C): Forschungszentrum Karlsruhe.
Foto (C): Forschungszentrum Karlsruhe
Seit Jahrzehnten fahnden Forscher nach Neutrinos. Die Geisterteilchen sind so zahlreich, dass es die Vorstellungskraft sprengt. Sie zu erwischen ist nicht einfach

Neutrinos sind Bausteine unseres Universums, die wie Gespenster durch alles hindurchfliegen. Daher werden die Elementarteilchen auch Geisterteilchen genannt. In jeder Sekunde durchdringen Milliarden Neutrinos unseren Körper, doch davon spüren wir nichts. Neutrinos entstehen bei radioaktiven Zerfällen von Elementen, beispielsweise in der Sonne. Und so stammen die meisten Neutrinos, die die Erde erreichen, von unserem Stern. Da sich Neutrinos so schlecht erwischen lassen, ist wenig über sie bekannt. Doch das wenige überrascht die Physiker: Sie verhalten sich grundlegend anders als andere Elementarteilchen. Womöglich können sie Antworten liefern zu einigen ungelösten Fragen, zum Beispiel wie aus dem Urknall exakt die richtige Menge Materie entstehen konnte, um unser Universum zu bilden. Um mehr über die Geisterteilchen zu erfahren, misst Katrin die Masse der Neutrinos. Katrin – das ist das »KArlsruhe TRItium Neutrino Experiment«. Die 60 Millionen Euro teure Versuchsanlage ist die genaueste Waage der Welt.

Physikern ist es gelungen, die Masse der rätselhaften Neutrinos näher einzugrenzen

Was sie in den kommenden fünf Jahren messen soll, ist unvorstellbar: Die Masse der Neutrinos beträgt weniger als ein Billiardstel eines Billiardstels einer Schneeflocke. Auch wenn ein einzelnes Neutrino fast nichts auf die Waage bringt, könnten alle zusammen doch so schwer sein wie alle Sterne des Alls. Da Neutrinos alles durchdringen, gelingt es selbst Katrin nicht, eines von ihnen zu erwischen. Die Forscher machen aus der Not eine Tugend: Sie messen das Fehlen der Teilchen. Dazu beobachten sie den radioaktiven Zerfall von Tritium, bei dem auch ein Neutrino entsteht. Sie bestimmen das Gewicht all der anderen entstehenden Bruchstücke sowie die freigesetzte Energie – aufsummiert haben diese Überreste etwas weniger Masse als das anfängliche Tritium: Und diese Differenz entspricht der Masse des entfleuchten Neutrinos.

(Text: Martin Scheufens)

Sarah studierte Modejournalismus und Medienkommunikation in München und Berlin. Auf ihrem Weg zum Schreiben machte sie Halt bei Film und Fernsehen und im Marketing. Ihre Interessen liegen vor allem im Tierschutz, dem Feminismus und in der Kunst – und natürlich im Entdecken von spannenden Geschichten.