Wie zärtlich können Roboterarme sein?

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Foto (C): Anand Varma
Ein »Softroboter« wird für die Erforschung empfindlicher Meerestiere eingesetzt. Im Griff seiner sanften »Nudelfinger« bleiben Quallen entspannt.

(Text: Holger Diedrich)

Sie sind die heimlichen Herrscher der Ozeane: Quallen trotzen dem Klimawandel, der Versauerung der Meere und profitieren sogar noch von der Überfischung. Die Reduzierung ihrer Fressfeinde führt zu einer explosionsartigen Vermehrung der Quallen. Allein eine in europäische Gewässer eingeschleppte amerikanische Rippenquallen-Art bringt es Schätzungen zufolge inzwischen auf eine Milliarde Tonnen Biomasse. Kein Wunder, dass sich die Forschung auf die glibbrigen Geschöpfe stürzt, gilt die Qualle doch zum Beispiel als Nahrungsmittel der Zukunft und ihr Schleim als Mittel, um Mikroplastik zu binden. Das Problem ist nur: Die Tiefsee mit ihrem Druck und ihrer Dunkelheit erschwert den Fang durch menschliche Taucher. Und Greifarmen von U-Booten gelingt es nicht, Quallen lebend und unbeschadet zu fangen.

Mit sanften und vorsichtigen Nudelfingern greift der Roboter nach glitschigen Quallen

Ein an der City University of New York konstruierter »Softroboter« soll das Problem lösen. Der Roboter hat sechs nudelförmige Finger, die so sensibel sind, dass sie eine Qualle sanft umfassen. So können Proben entnommen und Verhaltensweisen beobachtet werden. Die »Nudelfinger« bestehen aus Silikon. Jeweils eine Seite der Finger ist mit einer Schicht aus Nanofasern versehen und dadurch etwas steifer, was dafür sorgt, dass sich die Finger krümmen, sobald Pumpen sie mit Wasser befüllen. Der Druck, den die soften Finger auf die Qualle ausüben, entspricht einem Zehntel des Drucks, den ein menschliches Augenlid auf das Auge ausübt.

Im Bostoner New England Aquarium bestand der Softroboter bereits erste Einsätze. Mit enormer Zärtlichkeit umarmte er Ohrenquallen, Kreuzquallen und Schirmquallen. Keine entkam der sanften Gefangennahme, und keine zeigte Verletzungen oder Zeichen von Stress, als die Nudelfinger sie wieder entließen.

Der Artikel ist in der Ausgabe 10/2020 von P.M. Fragen & Antworten erschienen.

Sarah studierte Modejournalismus und Medienkommunikation in München und Berlin. Auf ihrem Weg zum Schreiben machte sie Halt bei Film und Fernsehen und im Marketing. Ihre Interessen liegen vor allem im Tierschutz, dem Feminismus und in der Kunst – und natürlich im Entdecken von spannenden Geschichten.