Wo kann man im Atomkraftwerk Karussell fahren?

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Foto: © ullstein bild - Dietmar Scherf
Das »Wunderland Kalkar« liegt am Niederrhein an der holländischen Grenze. Ab 1973 war hier das berühmt-berüchtigte Kernkraftwerk Kalkar ans Rheinufer gesetzt worden

(Artikel: Minerva Fois)

Wenn die Maskottchen »Kernie« und »Kerna« heißen, ist der Kühlturm nicht weit: Das »Wunderland Kalkar« am Niederrhein an der holländischen Grenze ist die einzige AKW-Anlage auf der Welt, die zum Freizeitpark umfunktioniert wurde – ganz klassisch mit Spiel, Spaß und Fahrgeschäften. Ab 1973 war hier das berühmt-berüchtigte Kernkraftwerk Kalkar ans Rheinufer gesetzt worden. Der »Schnelle Brüter« stand zwar nach zwölf Jahren Bauzeit und einem Aufwand von sieben Milliarden D-Mark fertig da. Ans Netz ging er jedoch nie – aufgrund sicherheitstechnischer Kontroversen, der wachsenden Anti-AKW-Bewegung sowie des Eindrucks, den die Reaktorkatastrophe von Harrisburg 1979 hinterlassen hatte.

Mitte der 1990er-Jahre fand sich dann tatsächlich ein Käufer für die Investitionsruine: Der Niederländer Hennie van der Most ließ das Atomkraftwerk zum Freizeitpark umbauen – »Kernwasser Wunderland« hieß die Attraktion am Anfang noch ganz unverblümt. Da sich der ursprüngliche Zweck des baulichen Ensembles kaum verschleiern ließ, wurde bei der Konzeption die Flucht nach vorn angetreten: Die gewaltige Kühlturmfassade, weithin sichtbar als einzige Erhebung in der ansonsten völlig flachen Landschaft, wurde außen kurzerhand mit einem pastellfarbenen Bergpanorama verziert und zur Mega-Kletterwand umfunktioniert. 

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Der Kühlturm des nie in Betrieb gegangenen Kernkraftwerks Kalkar beherbergt ein fast 60 Meter hohes Kettenkarussell
Foto: © mauritius images / Hans Blossey / imageBROKER

»Wunderland Kalkar«: Das Kettenkarussel mitten im Kühlturm ist 58 Meter Hoch

Nicht die einzige Idee, um dem sperrigen Bauwerk einen Freizeitnutzen abzuringen: Drinnen im Kühlturm sind die Betonwände zwar grau und kahl, taugen aber trotzdem als Attraktion »Echoland«: Jedes Flüstern ist zu hören, weil der Schall so stark reflektiert wird. Daneben dann das eigentliche Highlight: ein Kettenkarussell mitten im Kühlturm, 58 Meter hoch. Die bizarre Position sorgt dafür, dass man in voller Fahrt über die Oberkante der Betonwand hinausschwebt – Nervenkitzel mit Blick über den Kühlturmrand und Aussicht über die weite Flusslandschaft. Rings um den kolossalen Turm können Gäste rund drei Dutzend weitere Vergnügungseinrichtungen besuchen, und wer übernachten will, findet auf dem 19-Hektar-Areal gleich mehrere Hotels.

Der Artikel ist in der Ausgabe 11/2022 von P.M. Schneller Schlau erschienen.