In der Schweiz werden Unterhosen vergraben – für die Wissenschaft

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Mitmachprojekt: Der Agrarökologe Marcel van der Heijden von der Universität Zürich lässt Unterhosen vergraben – und 1000 Ehrenamtliche helfen ihm dabei

(Text: Frederik Kesting)

Manchmal geht die Wissenschaft unkonventionelle Wege. Insbesondere dann, wenn sie viele ehrenamtliche Helfer einbindet, also sogenannte Bürgerwissenschaft betreibt. Dann müssen einfache Methoden gefunden werden, um komplexe Vorgänge zu erforschen. Der Agrarökologe Marcel van der Heijden von der Universität Zürich zum Beispiel lässt Unterhosen vergraben, um herauszufinden, wie es um die Qualität der Böden bestellt ist.

Er beschäftigt sich mit Kleinstlebewesen wie Pilzen und Bakterien im Untergrund. Durch intensive Landwirtschaft, also Monokulturen mit starker Düngung und Pestizideinsatz, ist deren Vielfalt stark bedroht. Die ist jedoch wichtig für ein intaktes Ökosystem. Um herauszufinden, wie es den Mikroorganismen geht und wo ihre Vielfalt abnimmt, muss van der Heijden viele Flächen immer wieder beproben.

Weiße Unterhosen aus Biobaumwolle

Allein ist das kaum zu schaffen. Deswegen lässt er sich von 1000 ehrenamtlichen Projektteilnehmern aus der ganzen Schweiz helfen. Ihnen hat der gebürtige Niederländer jeweils zwei weiße Unterhosen aus Biobaumwolle geschickt, die sie auf einer Wiese, einem Acker oder im Garten vergraben sollen. Die Hypothese: Je belebter der Boden ist, desto schneller werden Bakterien und Pilze die Baumwolle zersetzen. Ihren eigenen Schlüpfer dürfen die Teilnehmer aber nicht vergraben. Denn damit die Ergebnisse vergleichbar bleiben, muss immer das gleiche Modell verwendet werden. Schließlich könnten sonst etwa synthetische Fasern, die nicht biologisch abgebaut werden können, das Resultat verfälschen. Was von den Schlüpfern übrig bleibt, dokumentieren die Hobbyforschenden mit Fotos. Außerdem entnehmen sie Bodenproben, die an der Universität Zürich analysiert werden.

Normalerweise werden für solche Tests standardisierte Teebeutel vergraben. Doch van der Heijden sagt, Unterhosen erfüllen den Zweck genauso gut. Und bei einem Mitmachprojekt kämen sie einfach besser an. Was anfangs wie ein etwas albernes Experiment klingt, ist also seriöse Forschung – mit Unterhosen als wissenschaftlichem Instrument.

Der Artikel ist in der Ausgabe 12/2021 von P.M. Schneller Schlau erschienen.

Sarah studierte Modejournalismus und Medienkommunikation in München und Berlin. Auf ihrem Weg zum Schreiben machte sie Halt bei Film und Fernsehen und im Marketing. Ihre Interessen liegen vor allem im Tierschutz, dem Feminismus und in der Kunst – und natürlich im Entdecken von spannenden Geschichten.