Karakorum: So sah die Hauptstadt des Mongolenreichs aus

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Foto: © Prisma Bildagentur
Statt permanent in der Stadt zu wohnen, zogen die nomadischen Khane weiterhin durch das Land und kamen nur zu besonderen Ereignissen in die Hauptstadt Karakorum:

(Text: Angelika Franz)

Dschingis Khan, der Gründer des Mongolenreichs, wählte im Jahr 1220 einen Ort am Ufer des Flusses Orchon für sein Lager. Sein Sohn und Nachfolger auf dem Thron, Ögedei, ließ an dieser Stelle eine Stadt erbauen, die zu einem wichtigen Knotenpunkt an der Seidenstraße werden sollte: Karakorum, Hauptstadt der Mongolen.

Wie diese Stadt aussah, beschrieb der Franziskanermönch Wilhelm von Rubruk, als er 1254 im Auftrag des französischen Königs Ludwig IX. Karakorum besuchte. Der Geistliche erzählte von einer quirligen Stadt, umgeben von einer Stadtmauer mit vier Toren, bevölkert von chinesischen Künstlern, muslimischen Händlern und Gefangenen aus aller Herren Länder.

Hut, Kleidung, Bekleidung
Bauherr Karakorums: der Mongolenherrscher Ögedei Khan (1186 – 1241) Foto: © Alamy Stock Photo

Diese Beschreibung hatten Archäologen und Historiker vor Augen, als die Stadt im Jahr 1889 wiederentdeckt wurde. Doch was sie in den Ruinen am Ufer des Orchon fanden, passte nicht recht zu den Angaben des Mönchs. Um dem Phänomen nachzugehen, untersuchte ein internationales Forschungsteam um Jan Bemmann von der Universität Bonn das Areal der mongolischen Siedlung mit einem sogenannten Squid (»Superconducting Quantum Interference Device«): Das Gerät kann anhand feiner Änderungen des Erdmagnetfelds unterirdische Strukturen sichtbar machen. Was sie dabei entdeckten, hatte wenig mit dem Aufbau einer europäischen Stadt zu tun. Auf den 1,33 Quadratkilometern innerhalb der Stadtmauer häuften sich die Mauerreste zwar um einen Bereich in der Mitte – doch etwa 40 Prozent der Fläche waren unbebaut geblieben. Dafür erstreckten sich die Siedlungsspuren bis weit außerhalb der Stadtmauern über ein Areal von rund 11,8 Quadratkilometern.

Zu großen Festen wurde es in Karakorum eng

Die Leser der Beschreibung Wilhelms von Rubruk, folgerten die Forscher und Forscherinnen, hatten sich die Stadt wie eine europäische Siedlung vorgestellt. Doch die Mongolen waren Nomaden – eine permanent besiedelte Stadt war ein Novum für sie. Zwar bemühten sich Dschingis Khan und seine Erben, eine Stadt mit europäischen Strukturen wie Straßen und einer Stadtmauer zu schaffen. Doch statt dort permanent zu wohnen, zogen die nomadischen Khane weiterhin durch das Land und kamen nur zu besonderen Ereignissen vorübergehend in die Hauptstadt.

Zu den großen Festen, schreiben die Forscher in der Fachzeitschrift »Antiquity«, wurde es dann eng in Karakorum – und die Gäste brauchten Platz für ihre Zelte. Da ranghohen Mongolen ein Platz im Zentrum in Palastnähe zustand, blieben große Flächen auch innerhalb der Stadtmauer unbebaut. In Abwesenheit der Khane diente die Stadt dann lediglich als Verwaltungszentrum.

Der Artikel ist in der Ausgabe 03/2022 von P.M. Schneller Schlau erschienen.