Woher kommt Kaugummi?

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Foto (C): Alamy
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Ketchup, Kaugummi und Teebeutel: Sie gehören heute ganz selbstverständlich in unseren Alltag und unsere Küchen. Doch auf ihrem Weg dahin ergaben sich spannende und teils skurrile Geschichten. Hier lesen Sie die interessante Geschichte vom Kaugummi.

Die Ägypter kauten eine Mischung aus Weihrauch und Myrrhe, die Römer das Harz des Mastixbaumes, die Maya kochten Latexsaft des Breiapfelbaums zu zähem »Chicle«. Aber die eigentliche Geschichte des Kaugummis beginnt 1869, und zwar mit Antonio López de Santa Anna, korrupter Ex-Präsident von Mexiko, der einige Jahre zuvor außer Landes gejagt wurde. Nun sitzt er im New Yorker Exil und versucht, mit dem Verkauf von Chicle das Geld für eine Privatarmee zusammenzukratzen, mit der er seine Heimat zurückerobern will.

Chicle zum Draufrumkauen

Chicle sei das Gummi der Zukunft, der Rohstoff garantiere lukrative Geschäfte, behauptet er. Glauben tut ihm niemand. Nur der Glashändler Thomas Adams lässt sich bequatschen, kauft eine Tonne Chicle und müht sich in der heimischen Küche, es zum Vulkanisieren zu bringen. Vergeblich. Es scheint tatsächlich nur zum Draufrumkauen geeignet zu sein. Das allerdings, findet Adams, ist gar nicht so übel. Allemal besser jedenfalls als die bröckeligen Paraffinklumpen, die es damals zu kaufen gibt.

Um einen Teil seiner Investition zurückzubekommen, rollt er das Chicle zu kleinen Kugeln, wickelt sie in buntes Papier und überredet Drugstores, sie für ihn zu verkaufen. Und siehe da: »Adams’ New York Gum No. 1« wird ein Erfolg. Um mit der Nachfrage Schritt zu halten, konstruiert Adams 1871 eine Maschine, die das Chicle walzt und in dünne Streifen schneidet – die Geburt des Streifenkaugummis.

Foto (C): Getty Images
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Verarbeitung von Chicle, dem Stoff, aus dem der Kaugummi ist, in Mexiko

Einziger Makel: Er schmeckt nach nichts. Inzwischen hat es sich aber herumgesprochen, dass die Zukunft des Kaugeschäfts golden ist, und der Kanadier William J. White experimentiert Anfang der 1880er-Jahre ebenfalls mit Chicle. Er ist dahintergekommen, dass man ihm mithilfe von Maissirup jeden beliebigen Geschmack verpassen kann. Seine Wahl fällt auf Minze, und es ist, als hätte die Welt nur darauf gewartet: Innerhalb kürzester Zeit hängt sein »Yucatan Gum« alle anderen Produkte ab. Er wird reich und reicher, bis ihn drei seiner Geschäftspartner mit Verleumdung aus dem Rennen werfen.

Ein Päckchen für jeden – William Wrigley Jr. startet durch

Doch da gibt es bereits einen neuen Stern am Kaugummihimmel: William Wrigley Jr., ein ehemaliger Seifenhändler, bringt 1893 »Juicy Fruit« auf den Markt, kurz danach »Wrigley’s Spearmint«, wenige Jahre später ist er Millionär. 1910 hat er alle Konkurrenten abgehängt. Überall prangt Reklame für Wrigley’s Gum, an einer Bahntrasse in New Jersey reiht sich Plakatwand an Plakatwand zur längsten Werbestrecke aller Zeiten. Und wer trotzdem nicht Wrigley’s kaut, wird zwangsbeglückt: 1915 schickt die Firma jedem Amerikaner ein Gratispäckchen. Später bekommt jedes Kind zum zweiten Geburtstag Post von Onkel Wrigley, und in den 1920er Jahren hat schließlich ganz Amerika »Wrigley’s Doublemint« zwischen den Zähnen.

(Text: Ruth Hoffmann)

Der Streifen der die Welt erobert! Lesen Sie die ganze Geschichte vom Kaugummi in der aktuellen Ausgabe 10/2020 von P.M. History. Und weitere spannende Geschichten, woher das ein oder andere Lebensmittel kommt, finden Sie in der Ausgabe 1/2020 von P.M. Fragen & Antworten.

Sarah studierte Modejournalismus und Medienkommunikation in München und Berlin. Auf ihrem Weg zum Schreiben machte sie Halt bei Film und Fernsehen und im Marketing. Ihre Interessen liegen vor allem im Tierschutz, dem Feminismus und in der Kunst – und natürlich im Entdecken von spannenden Geschichten.