Vertrauen wir Wissenschaftlern stärker, wenn sie zugeben, dass sie sich nicht ganz sicher sind?

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In der Corona-Krise ist alles neu: Das Virus und auch der Umgang damit. Jeden Tag gewinnen Forscher neue Erkenntnisse, doch längst ist nicht alles sicher, was sie wissen. Aber wie sollten Wissenschaftler darüber reden?

Seit den 1990er-Jahren weiß man, dass man bei Warnungen für die Allgemeinbevölkerung am besten so tut, als wäre man seiner Sache völlig sicher. Damals fragten sich US-Forscher: Wie reagieren Menschen darauf, wenn Wissenschaftler zugeben, dass ihre Prognosen ein gewisses Maß an Unsicherheit enthalten? Das Ergebnis war ernüchternd: Viele Menschen hielten die entsprechenden Forscher schlicht für unfähig.

Jetzt haben Wissenschaftler der Stanford University die Sache für die Klimaforschung erneut auf den Prüfstand gestellt. Hier arbeiten Experten typischerweise mit verschiedenen Szenarien. Man sagt zum Beispiel: Der Meeresspiegel wird vermutlich um 1,20 Meter ansteigen. Wenn wir Glück haben, werden es nur 30 Zentimeter sein, im schlimmsten Fall aber 2,10 Meter. Laut besagter Studie erhöht eine solche Darstellung sowohl die Glaubwürdigkeit der Botschaft als auch die Glaubwürdigkeit der Wissenschaftler.

Der Effekt kehrt sich aber um, sobald man der Nachricht noch eine kleine Wahrheit hinzufügt: nämlich die ehrliche Angabe, zu was für Schäden das jeweils führen wird. Das jedoch ist oft nicht wirklich absehbar: Man kann es nicht exakt berechnen, man kann es nur vermuten. Sobald die Wissenschaftler dies zugeben, finden die meisten Menschen deren Aussagen auf einmal unglaubwürdig und die Wissenschaftler entweder unehrlich oder unfähig.

In der Krise ist alles anders

Etwas anders laufen die Dinge während einer neu aufgetretenen Krise wie der aktuellen Coronavirus-Pandemie. Denn dann sind viele Probleme neu, und es gelten eigene Regeln. Etwa deshalb, weil große Teile der Bevölkerung gestresst und deshalb weniger aufnahmefähig sind. Das US-Handbuch für Krisenkommunikation der Seuchenbehörde rät Behördensprecher sollten klare Ansagen machen, Details vermeiden und alles Wichtige zweimal sagen. Studien zeigen außerdem: In Krisen wird die Ehrlichkeit eines Experten für seine Glaubwürdigkeit auf einmal genauso wichtig wie seine Fachkompetenz. Man solle deshalb »zugeben, dass man etwas nicht weiß«. Die empfohlene Formulierung lautet: »Wir haben noch nicht alle Fakten beisammen. Aber nach allem, was wir wissen, erwarten wir…“.

Medizinische Experten wie der Virologe Christian Drosten aus Deutschland oder Anthony Fauci (USA) machen deshalb alles richtig, wenn sie zugeben, auf manche Fragen (noch) keine Antwort zu haben. Fauci ist Immunologe und hat in seinem Leben bereits mehrere Präsidenten beraten, nun auch Donald Trump. Er gilt vielen als eine »Stimme der Vernunft«.

(Text: Jochen Metzger)

Sarah studierte Modejournalismus und Medienkommunikation in München und Berlin. Auf ihrem Weg zum Schreiben machte sie Halt bei Film und Fernsehen und im Marketing. Ihre Interessen liegen vor allem im Tierschutz, dem Feminismus und in der Kunst – und natürlich im Entdecken von spannenden Geschichten.